Flößerei auf der Kinzig

1. Bau und Fahrt eines Kinzigfloßes

2. Der Wald

3. Regelung der Flößerei

4. Entwicklung des Höllander Holzhandels

5. Die Flößerei Chronologie eines Handwerks

1. Bau und Fahrt eines Kinzigfloßes

Das Bauen eines Floßes, auch Rüsten genannt, erfolgte stets
nach althergebrachten Techniken, vertrauter Umgang mit Holz war mehr gefragt als handwerkliche Kenntnisse.
Da die Flößerei nur zwischen Georgi und Martini stattfand und über die Winter-monate ruhen musste, betätigten sich die Flößer in dieser Zeit unter anderem auch als Holzhauer.
Sie brachten so bis zum Frühjahr das nötige Holz zu den Spannstätten am Fluss. Andere wiederum arbeiteten als „Wieder“ und sorgten für die Wieden, die in großen Mengen zum Einbinden der Flöße benötigt wurden. Die einzelnen Stämme wurden nun abgelängt, geschnetzt und mit dem „Zopf“, dem dünnen Ende, flussabwärts gelegt. An beiden Enden, „Schnetz“ und „Zopf“, bohrte man Löcher, durch die die Wieden gezogen wurden.
Die Anzahl der Stämme, die nebeneinander liegend ein Gestör ergaben, richtete sich zum einen nach der Stärke eines Stammes, zum anderen danach, wie breit die Fahrlöcher in den Wehren waren. Ab Wolfach maßen diese seit Alters her 20 Schuh (Fuß), was etwa 6 Meter entspricht. Die Wieden dienten zur Verbindung der einzelnen Stämme mit den Querhölzern. Die vorderen Gestöre bestanden aus dem schwächeren Holz, das starke Holz war hinten am Floß. Mit den stärksten Wieden wurden die einzelnen Gestöre miteinander verbunden, dabei achtete man auf entsprechenden Spielraum zwischen ihnen, damit sich das Floß strecken konnte und „biegsam“ war. Zum Lenken des Floßes wurde vorne ein kleines, sehr bewegliches Gestör, der „Vorplätz“ vorgebunden, auf ihm befand sich das Stangenruder, das vom Fahrer gesteuert wurde. Auf den hinteren Gestören waren die „Sperren“, je nach Größe des Floßes waren mehrere dieser Bremsvorrichtungen vorgeschrieben. Durch eine Öffnung im Gestör konnte der „Sperrstümmel“, ein starker Balken, bis auf den Bachboden hinunter gelassen werden, wo er sich verankerte und das Floß zum Halten brachte. Die Sperre konnte nur von einem erfahrenen Flößer bedient werden. Das Floß lag nun fertig eingebunden im Flußbett, das letzte Gestör war mit einer „Afterwiede“ am „Anmährpfahl“ oder Floßhaken am Ufer festgemacht. Das Wehr war geschlossen, das zur Fahrt notwendige Wasser war geholt, d. h. imSchwellweiher gesammelt. Die Flößer hatten sich mit den Floßstangen auf den Gestören verteilt und warteten auf die Abfahrt. Zuvor allerdings wurde ein Gebet gesprochen.
Die Fallen und der Gamber wurden geöffnet, das Wasser schoss, das Floß kam in Bewegung, es streckte sich, wurde hin und her geschoben, und das Holz ächzte. Auf ein Zeichen hin zerschlug einer der Flößer die Afterwiede und die Fahrt „ins Land“ begann. So manches Wehr und viele Biegungen des Flusses mussten sicher durchfahren werden. Der Sperrmann war nun der wichtigste Mann, er hatte alle Hände voll zu tun. Auf ihn kam es an, dass das Floß immer in gestreckter Formation lag und bei starkem Wasser und Gefälle die hinteren Gestöre nicht zu stark schoben. Unterhalb Wolfach war die härteste Arbeit geleistet. Bei gutem Wasser kamen die Flößer am ersten Tag von Schiltach bis Gengenbach oder Offenburg, dort wurde an vorgeschriebenen Plätzen angemährt, sprich festgemacht. Tags darauf ging es dann früh morgens weiter nach Willstätt, wo die Fahrt für die Kinzigflößer auf dem Willstätter Weiher endete. Das Holz wurde verkauft und an die Rheinschiffer übergeben.
Führte die Kinzig wenig Wasser, dauerte die Fahrt erheblich länger. Immer wieder musste erst Wasser im oberen Kinzigtal „geholt“ werden, weil das Floß unten im Tal irgendwo festlag.
Nach vollbrachter Fahrt kehrten die Schiltacher Flößer in Willstätt im „Adler“ ein, ihrem Stammlokal. Dort wurde vom Schiffer ein einfaches Essen und ein ordentlich Quantum Wein gezahlt. Jeder Flößer bekam seinen Taglohn ausgezahlt, der Sperrmann erhielt für seine besonders verantwortungsvolle Tätigkeit einen Zuschlag.
Auf den Heimweg machten sich die Flößer meist zu Fuß von Willstätt nach
Schiltach, nur wenn zu Hause die Arbeit drängte, ließ man einspannen und fuhr die rund 70 Kilometer. 1894 fuhr das letzte Floß von Schiltach ab. Ein Jahrhunderte altes Traditions-Gewerbe hatte sein Ende gefunden.

– Stadt des Fachwerks, der Flößer und der Gerber –


2. Der Wald

Das Obere Kinzigtal gehört zu den waldreichsten Gebieten des ganzen Schwarzwalds. Das Gemeindegebiet von Schiltach ist heute zu 80% bewaldet. Für Klima, Luft, Bodenschutz, Wasser und Gesundheit hat der Wald überragende Bedeutung. Der Wald gestaltet das Großklima und liefert das wichtige Lebenselement Sauerstoff. Ohne Wald kein Wasser!
Umso mehr muss es uns beunruhigen, dass er durch menschliches Verhalten
und Handeln in großer Gefahr ist. Jahrhunderte lang war der Wald die wichtigste Erwerbsquelle und Existenzgrundlage für unsere Bevölkerung. Das Holz war zugleich unentbehrlicher und vielseitiger Roh-, Bau- und Werkstoff und Energielieferant für Gewerbe und Haushalt. Im Mittelalter war der Holzbedarf der aufblühenden Städte (vor allem Straßburg) groß, auch im 17. und 18. Jahrhundert holten die wachsenden Städte entlang des Rheins (Holland) ihr Bauholz aus dem Schwarzwald. Rinde fand in den heimischen Gerbereien Verwendung als Lohe. Das Jahr über fällten die Holzhauer in den mächtigen Waldgebieten des Schwarzwaldes, auf den Bergen und in den steilen Tälern des Kinzigtals die Langholzstämme, schälten und bereiteten sie für den Abtransport ins Tal vor. Eine gefährliche und mühevolle Arbeit. Das Holz wurde ins Tal „geriest“ und in der Nähe des Wassers „gepoldert“. Denn als einziger Transportweg und als Transportmittel bot sich das Wasser der Kinzig und deren Nebenflüsse an. Die vorhandenen, schlecht ausgebauten Straßen waren dafür völlig ungeeignet. So entstand die Flößerei! Das Thema Wald zieht sich wie ein roter Faden durch dieses Museum in und vor den beiden Gebäuden und auch entlang der Kinzig.

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3. Die Regelung der Flößerei

Schiltachs wirtschaftliche Bedeutung beruhte einst auf dem Holzreichtum des Oberen Kinzigtals, auf dem Holzhandel und der Flößerei. Die Geschichte der Flößerei stimmt in den wesentlichen Punkten mit der Geschichte des Holzhandels überein. Ein für die Flößerei im Kinzigtal charakteristisches Gebot ist die Trennung von Waldwirtschaft und Holzhandel. Der Ausschluss der Waldbesitzer – also der Waldbauern – vom eigentlichen Holzhandel stellt einen permanenten Streitpunkt dar, der sich unter anderem immer wieder in den Schifferordnungen niederschlägt. Eine weitere Erschwernis sind die zahlreichen Herrschaftsgrenzen, die im Verlauf der Kinzig mit den Flößen zu passieren waren. Mit ihnen waren staatliche Beschränkungen, Zölle und andere nachteilige Einflüsse verbunden. Auf Schiltacher Territorium war die Kinzig lange Grenze zwischen dem Fürsten- bergischen und dem Württembergischen Gebiet. Zahlreiche Schifferschaftsordnungen regelten die handels- und wasserrechtlichen Verhältnisse (1564, 1700, 1766, 1813, 1853 und 1867). Für Schiltach wurde bestimmt, dass das Flößen von Holz aller Art nur dem sesshaften Bürger gestattet sei. Am nachhaltigsten wirkten die Schifferordnung und der Rezess von 1764 und 1766. Erst 1841 wandte man sich an ein Schiffergericht, das der Frage nachgehen sollte, ob diese Regelungen noch zu beachten seien. Durch die Veränderung der politischen Grenzen von 1810 war auch Schiltach an Baden gefallen, so dass die beiden privilegierten Schifferschaften des Kinzigtals – die Schiltacher und die Wolfacher Schifferschaft – nun in einer Herrschaft vereinigt wurden, ebenso die Waldbauernschaften, die bislang kein Holzhandelsrecht hatten. 1853 entsteht eine neue Kinzigfloßordnung, in der eine Neuordnung angestrebt
wird, die den Verhältnissen angeglichen ist. Im Jahr 1854 werden die neuen
Statuten der Wolfacher Schifferschaft und 1856 ein Entwurf von Bestimmungen für die Schiltacher Schifferschaft nach dem Vorbild der Wolfacher Ordnung aufgestellt. Die Schifferschaften unterhalten wie bisher die Floßstraßen. Der selbst flößende Waldeigentümer hat eine Vergütung für die Benutzung der Floßanstalten an die Schiffer zu zahlen. Die „Befreiung der Kinzigflößerei“ trat im Jahr 1867 ein, als Haupt- und Nachrezess samt der nachfolgenden Vereinbarungen aufgehoben wurden und die Regierungen von Baden und Württemberg übereinkamen, auf die Erhebung aller Abgaben zu verzichten, die für die Staatskasse oder die Staatsanstalten von der Flößerei eingefordert wurden. Alle badischen und württem-
bergischen Staatsangehörigen waren ab sofort befugt, Holz zu kaufen, zu verkaufen und zu flößen. Somit waren alle bestehenden Privilegien, Zunft- und Stapelrechte aufgehoben. Jede Regierung erließ eine Verordnung zum Schutz der Ufer, der Einrichtungen, usw. und sorgte für die Unterhaltung der Wasserstraßen. 1868 geht aus den Trümmern der Schifferschaften die Kinzigflößerei-Genossenschaft hervor: „Der Zweck der Genossenschaft ist die Wahrung und Förderung der Interessen des Holzhandels und der Flößerei auf der Kinzig vom Schenkenzeller Weiher bis zur Marktstätte in Kehl…“ (Auszug aus der Satzung der Kinzigflößerei-Genossenschaft, Wolfach 1868)

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4. Entwicklung des Holländer-Holzhandels

Die Anfänge des Holländer-Holzhandels sind etwa in das Jahr 1691 zu legen.
Seinerzeit sollen die ersten Bäume für die Holländer in Liebenzeller Forsten im Württembergischen gefällt worden sein, die sie für den Bau ihrer Schiffe
benötigten. Für das Kinzigtal gibt es 1699 einen ersten Beleg für den Holzhandel mit Holland. Doch erst ab 1715 entwickelte sich diese Handelsbeziehung ungestört. Der Beginn des Holländer-Holzhandels stellt auch eine Veränderung des Marktes dar. Zuvor waren Bretterware und schwächere Bauholzsortimente gefragt gewesen. Nun waren es Eichenholz, Fohren und starke Tannenstämme. Diese Hölzer waren in den hiesigen Wäldern gerade im 18. Jahrhundert auch reichlich vorhanden, hatten doch zuvor der Krieg den Holzhandel weitgehend zum Erliegen gebracht. Forstwissenschaftler des 19. Jahrhunderts bezeichnen die bei den hiesigen Bauern üblich gewordene Methode der Waldbehandlung – bei der aus einem Gebiet einzelne große Bäume geschlagen werden – als aus dem Holländer-Holzhandel hervorgegangen. Diese Plenter – oder Femelwaldwirtschaft wird in den Bauernwäldern heute noch betrieben und gilt als die naturnaheste Bewirtschaftungsform.

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5. Die Flößerei Chronologie eines Handwerks

14. Jahrhundert

• Holzaufkäufer der Stadt Straßburg kommen auch in das Gebiet um Schiltach. Früheste Erwähnung der Flößerei.

• Holzhandel aus dem Kinzigtal mit der Stadt Straßburg. Langholz- und Wild
flößerei (Brennholz).

15. und 16. Jahrhundert

• Straßburg flößte das Holz „aus dem Leichbach ob Schiltach“ und bat wiederholt um Zollfreiheit für die „Durchfuhr von Holz durch das Kinzigtal von Schramberg und anderen Orten her“.

• Der Basler Gelehrte Sebastian Münster lobt „das Volk, das bei Kinzig wohnet, das sich mit den großen Bauhölzern“ ernähre, „die sie durch das Wasser Kinzig gen Straßburg in den Rhein flötzen und jährlich groß Geld erobern“.

• Die Landesherren versuchen, die Flößerei zu regeln und zu ordnen. Einmal, um nachbarliche Streitigkeiten zu verhindern und zum anderen dafür zu sorgen, „dass der Arme beim Reichen und der Reiche beim Armen erhalten sein und einer den andern ernähren und hinbringen möge“.

• Ende des 16. Jahrhunderts wird die Flößerei vorübergehend ganz eingestellt.

17. Jahrhundert

• Zu Beginn des Jahrhunderts geht es wieder aufwärts im Holzgewerbe. Der
Holzhandel mit Straßburg blüht. Bericht des Untervogts von Hornberg von 1626:„ Die Bürger der Stadt Schiltach haben ihr meiste und größte Nahrung auf dem Holzgewerbe liegen, also dass mehr als die halbe Bürgerschaft samt der ganzen Maier- und Bauernschaft im selben Gewerb verhaftet ist und sich davon ernähren“.

• Nach 1630 erreicht der Dreißigjährige Krieg auch den Südwesten und Schiltach. Zahlreiche Durchzüge und die Pest lassen das gesamte Wirtschaftsleben und damit auch die Flößerei absterben. Teiche und Wehre verwahrlosen und werden durch das Kriegsgeschehen zerstört.

18. Jahrhundert

• Nach Krieg und Krisen erreicht die Flößerei wieder ihre frühere Bedeutung.

• Um 1715 beginnt im Oberen Kinzigtal der „Holländer“- Holzhandel.
Wachsen der Bedarf Hollands für den Schiffs- und Städtebau.

• Spannungen und Streitigkeiten zwischen den Regierungen einerseits und den Schifferschaften andererseits mehren sich, was insbesondere auch zur Zeit der Französischen Revolution zu einer ziemlichen „Regellosigkeit in der Flößerei“ führt.

19. Jahrhundert

• Traditionell Flößereiberechtigte verlieren, insbesondere auch durch die in Baden eingeführte Gewerbefreiheit, ihre Privilegien. Waldbauern genießen fortan die gleichen Flößereirechte. „Es kamen die Jahre, in denen der Reichtum unserer Waldbauern eine zuvor nie gekannte Höhe erreichte“.

• Die Kinzigflößerei erlebt noch einmal eine Blüte. Im Jahr 1873 gingen 160
Langholzflöße von Wolfach ab.

• Die beginnende Industrialisierung wird zur Konkurrenz für die Flößerei. Die Industriebetriebe, wie übrigens auch die Sägewerke und Mühlen, benötigen kontinuierlich die Wasserkraft, die ihnen durch vorbeifahrende Flöße zeitweise entzogen wurde. Das führte zu Ertragsverlusten, die man nicht hinnehmen wollte.

• Eisenbahn und immer besser ausgebaute Straßen führen zu weiterer Konkurrenz für die Flößerei.

• Ab 1850 setzt eine teilweise Abwanderung der Schiltacher Flößer in andere
Gebiete ein, wo ihre Erfahrung gefragt war, so z.B. an der Wutach, Steina und auch am Bodensee.

• 1870 treten die Schiltacher Flößer in Siebenbürgen auf.

• 1890 betreiben in Schiltach nur noch zwei Schiffer ihr Gewerbe.

• 1894 fährt das letzte Schiltacher Floß „ins Land“. Es ist 600 m lang, mit
4 Sperren ausgerüstet und besteht aus 1000 Festmetern Holz.

Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers dem Buch „Schiltach – die  Flößerstadt“

von Dr. Hans Harter entnommen

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